8.000 Kilometer, zwei Kulturen, eine Liebe: Fernbeziehung USA – Deutschland.

23. Januar 2021 / Update 15. Mai 2023

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Die Liebe am anderen Ende der Welt - passiert

Es ist dunkel und ich sitze im Flugzeug. Mein Schädel dröhnt; mein T-Shirt fühlt sich an, als hätte ich mir Frischhaltefolie unter die Achseln geklebt und wäre dann für drei Tage in einer finnischen Sauna eingeschlossen gewesen. Am liebsten würde ich mein Gesicht auf das blöde Plastik-Klappbrett vor mir am Sitz knallen und sterben.

 

„Ich stand gestern ’ne Stunde im Stau bis ich bei meinem Freund war!“, beschwert sich eine Bekannte auf Facebook. Ich lache, während sich mein Sitznachbar ein dickes Zwiebelbrötchen auspackt und ich verzweifelt versuche, in die andere Richtung zu atmen. Wenn ich meinen Freund sehen will, sitze ich minimal 17 Stunden in drei Flugzeugen, verbrenne um die 800 Euro, rase 8.000 Kilometer durch 8 Zeitzonen und kriege sieben Herzinfarkte, weil die Flugverbindungen so knapp sind, irgendwo ein Blizzard tobt oder an der US-Grenze mal wieder ein "Interview" der besonderen Art auf mich wartet.

 

Ich bin Deutsche und mein Freund ist Amerikaner. Wir leben seit 2018 in einer Fernbeziehung auf zwei Kontinenten. Wir haben schon alles durch: drei nervenzerfetzende Verhöre mit Homeland Security, filmreife Begrüßungsplakate, Heulen beim Abschied und eine Pandemie mit Grenzschließungen. Während den meisten bei sowas vor Stress schon längst das Kukident rausgeflogen wäre, schweißt uns der ganze Scheiß eher noch mehr zusammen. Eine Fernbeziehung – was sie ausmacht, wie wir sie überleben und warum es immer irgendwie einen Weg für die Liebe gibt.

Das Wiedersehen – Honigkuchenpferd an Heiligabend

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Lustige, bekloppte und liebevolle Begrüßungsschilder gehören für uns dazu

„Es wäre doch praktisch, wenn dein Freund wenigstens in New York leben würde“, sagt mein Papa manchmal. Klar. Direktverbindung Frankfurt – New York, das wäre schon schick. Jetzt ist mein Leben aber nicht besonders schick, sondern nur besonders. Und deshalb wohnt mein Freund im tiefsten Busch in den Rocky Mountains in Wyoming. Selbst nach 17 Stunden in drei Flugzeugen muss er mich meist noch zwei Stunden mit dem Auto vom nächstgrößeren Flughafen abholen. Die USA sind riesig und der wilde Westen ist weit.

Doch eine lange Anreise bedeutet auch lange Vorfreude. Meistens grinse ich während des gesamten Trips jede einzelne Person an, während mein Herz herumgaloppiert wie ein Honigkuchenpferd.

 

Mein Freund und ich haben einen Countdown auf unseren Handys, der anzeigt, wie viele Tage, Stunden und Minuten es sind, bis wir uns wiedersehen. Es ist jedes Mal so, als wäre ich wieder Kind und als wäre der Morgen vor Heiligabend. Jedes einzelne Mal - auch nach 5 Jahren. Und jedes Mal hat einer von uns ein beklopptes Begrüßungsschild oder einen stullen Luftballon am Start. Wenn wir uns aus der Ferne sehen, laufen wir nicht, sondern wir rennen, umarmen uns und lassen uns minutenlang nicht mehr los.

 

Weil mein Freund aufgrund seines Alters nicht mehr arbeitet und ich digitale Nomadin bin, können wir uns oft mehrere Monate am Stück sehen. Bis wieder mal ein Visum ausläuft und wir für eine Weile zurück in unsere jeweilige Heimat müssen. Doch dieser Moment des Wiedersehens nach Wochen der Trennung ist der schönste Moment. Der Beginn einer fabelhaften Zeit mit dem wundervollsten Menschen der Welt.

Abschied und Trennung – Ausrasten am Flughafen

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Wieder im Flugzeug - zwischen Visa, Grenzen und Abschied

Ja, und dann sind da die Momente des Abschieds.

Grund dafür sind, wie eben kurz erwähnt, unter anderem begrenzte Visumstage. Sowas kennt man nicht, wenn man in Herne lebt und der Partner in Castrop-Rauxel. Aber wenn man in ein Land außerhalb der EU möchte, muss man meist ein Besuchervisum beantragen, das einem erlaubt, für eine bestimmte Anzahl an Tagen in dem jeweiligen Land zu verweilen. Oft sind es 90 Tage.

 

Ich habe für die USA ein besonderes Visum, ein B2-Visum, das mir Aufenthalte von bis zu 180 Tagen am Stück erlaubt. Allerdings sollte man das nicht übertrieben ausreizen und genau darauf achten, danach eine gewisse Zeit rauszublieben, bevor man wieder einreist. Dieser Zeitraum ist allerdings leider nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern von der Laune des Beamten abhängig. Tollo. Kommt man zu schnell wieder, wird der US-Grenzübertritt schnell zum DDR-Verhör. I can tell you.

Mein Freund kann derzeit für 90 Tage nach Deutschland kommen und hatte bisher noch nie Probleme bei der Einreise. Willkommen in der EU!

 

Wie ihr seht, lässt sich damit schon einiges an gemeinsamer Zeit basteln, wenn man es schlau plant. Aber das ist es eben: Fernbeziehungen brauchen einen Plan. Mal eben abends noch auf einen Wein rüberkommen, geht nicht. Jedenfalls bin ich noch nie 17 Stunden geflogen, um einen Wein zu süffeln. Und dann ist da natürlich immer die Angst vor einem Notfall, bei dem es selbst im günstigsten Fall von Tür zu Tür 24 Stunden dauert, bis man bei dem jeweils anderen ist, selbst wenn man sofort zum Flughafen rast.

 

Der Moment des Abschieds, an dem man sich zum letzten Mal durch eine Glasscheibe zuwinkt und dann auf einer Rolltreppe voneinander wegfährt, ist ungefähr so geil wie akuter Durchfall. Ich weiß nicht, wie oft ich schon durch Flughafengänge gewandelt bin, während mir die Tränen über das Gesicht gelaufen sind und Leute geglotzt haben. Ich habe inzwischen sogar einen Song, den ich in diesen Momenten höre. Broken Crown von Mumford and Sons. Das ist der beschissenste Moment in einer Fernbeziehung.

Distanz und Trennung – wie klappt es?

Flughafen Transit, Beziehung in einem anderen Land, internationale Paare
Tot am Flughafen nach 30 Stunden ohne Schlaf

Eine Frage, die wir immer wieder hören, ist: „Wie kommt ihr klar, während ihr getrennt seid?“

Wie schon erwähnt, haben wir eine sehr günstige Jobsituation. Mein Freund ist „retired“ und ich arbeite frei und ortsunabhängig als selbstständige Texterin und Fotografin. So haben wir auch in Trennungszeiten relativ viel Zeit, um uns den ganzen Tag per WhatsApp zu schreiben. Wir diskutieren dort eigentlich alles von der besten Gewürzmischung für Nudelsuppe über Rechnungen und Pläne bis hin zum Leben nach dem Tod. Wir reden beide gern und fühlen uns einander näher, wenn wir trotz der Distanz möglichst viel direkt miteinander teilen können.

 

Abends, deutscher Zeit, machen wir einen Videochat, wo mein Freund mir ein Buch vorliest und ich meist irgendwann dabei einschlafe. Es ist schön, ihn lachen zu hören und dabei auf dem Handy sehen zu können. Außerdem versuchen wir immer, so schnell wie möglich einen neuen Termin für ein Wiedersehen festzusetzen und Flüge zu buchen. Das ist der Moment, wo der Trennungsschmerz in Vorfreude kippt und ich vor Aufregung immer wie ein Softball durch die Bude hüpfe. Normalerweise versuchen wir, dass nicht mehr als ein paar Wochen zwischen unseren Zusammenkünften liegen.

 

Übrigens: Am Anfang unserer Beziehung waren die Abschiede immer so schlimm wie eine Schmeißfliegenplage. Aber je öfter man das macht, desto leichter scheint es zu werden. Vor allem, weil wir voller Vertrauen wissen, dass wir uns auf jeden Fall bald wiedersehen werden.

Fernbeziehungen, Corona & Grenzschließungen – #loveisnottourism

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Reisen und Fernbeziehungen während Corona

Jedenfalls normalerweise. Denn dann kam 2020 und Corona. Und plötzlich haben die USA eine Einreisesperre für Europäer und die EU eine Einreisesperre für Amerikaner erklärt. Das war ein verficktes Drama, um es nett auszudrücken. Denn Ausnahmeregelungen für Partner gab es (zumindest auf US-Seite) fast zwei Jahre lang nicht. Wir wurden gleichbehandelt wie Bier saufende Touristen, die aus Spaß nach Malle reisen wollten.

Die weltweite Bewegung #loveisnottourism hat mir sehr geholfen, Menschen mit demselben Problem zu finden und mit ihnen gemeinsam die Stimme zu erheben. Ich habe in der Zeit an zahllose Politiker geschrieben und viele Petitionen unterzeichnet.

 

Allerdings musste ich während der Grenzschließungen zwei Jahre lang über einen Drittstaat von Europa in die USA einreisen. 2020 habe ich das über Aruba gemacht und 2021 über Costa Rica. Vollkommen beschallert, aber leider damals bittere Realität.

 

Viele andere Paare in Fernbeziehungen waren zu der Zeit getrennt. Unsere Hexenjagd, um uns trotz Corona zu sehen, könnt ihr unter anderem in diesen Artikeln finden:

Closing the Gap: Wann zieht ihr zusammen?

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Zuhause überall - Hauptsache mit dir

Eine weitere Frage, die uns oft gestellt wird, ist: „Wann zieht ihr zusammen? Wann wanderst du aus?“

Closing the Gap heißt das unter Menschen in Fernbeziehungen. Etwas, das vermutlich 95 Prozent aller Paare in so einer Situation gern machen würden.

Wir allerdings nicht. Überraschung. Wäre ja auch komisch, wenn irgendwas hier mal normal wäre.

 

Wie sind beide abenteuerlustig und reiseverrückt und haben flexibel Zeit. Auch lange Distanzen zu fliegen, macht uns nicht wirklich was aus, wenn man sich damit abfindet, dass man sich spätestens auf dem dritten Flug gern das Zwiebelbrötchen des Sitznachbarn ins Gesicht donnern will.

Wir sind ehrlich gesagt sogar sehr begeistert darüber, dass wir zwei Zuhause auf zwei Kontinenten in zwei Kulturen haben. Mein Freund möchte noch so viel in Europa sehen und ich liebe die USA, Kanada und Südamerika. Eine Home Base an beiden Orten zu haben, ist ziemlich cool. Außerdem habe ich eine starke Bindung zu meiner Familie und meinen Freunden - und mein Freund kann sich nicht vorstellen, ganz ohne seine Heimat in den Bergen zu leben. Wir können uns beide nicht vorstellen, das komplett aufzugeben. Und das müssen wir auch nicht, da wir (in Nicht-Coronazeiten) frei hin- und herreisen können und auch mal ein paar Wochen ohneeinander klarkommen.

 

Das Wichtigste ist für uns, dass wir wissen, was uns unsere Liebe wert ist und dass sie so ziemlich alles kann. Sogar eine Pandemie, Grenz-Interviews und 8.000 Kilometer überstehen. Fernbeziehungen brauchen Vertrauen, Leidenschaft, Resilienz, Herz und Verrücktheit. Und wir haben von allem ganz viel.

Wie du vielleicht weißt oder gesehen hast, haben wir nicht nur eine Fernbeziehung, sondern auch noch eine Beziehung mit Altersunterschied. Mehr dazu findest du hier: Dino und Eichhörnchen - Liebe mit Altersunterschied.

 

Wenn du eine Frage zu unserer Fernbeziehung oder zu Fernbeziehungen allgemein hast, schreib mir gern eine Nachricht über Instagram, Facebook oder per Mail an hello@squirrelsarah.com.

Kommentare: 4
  • #4

    SquirrelSarah (Montag, 15 Mai 2023 20:20)

    Liebe Lisa,
    oha, über die Grenze kann ich inzwischen ein Buch schreiben... und zwar kein lustiges. Oder vielleicht ein ironisches... Ich habe mein B2 Visum 2016 beantragt, als ich eine einmalige Soloreise für 4 Monate durch die USA geplant hatte. Das hatte ich auch damals in der Botschaft so begründet mit Nachweisen und Plänen und Karten (die keiner sehen wollte...). Ich hatte absolut gar nicht vor, da so schnell wieder hinzufliegen oder jemanden kennenzulernen. Ich war eigentlich ziemlich "done" mit Männern zu der Zeit. :D Aber dann kam das Leben dazwischen... und ja, jetzt bin ich on und off dort und das finden die an der Grenze nicht so lustig. Ich war inzwischen in 3 Interviews/second screenings und jedes Mal dachte ich, ich sterbe gleich. Einfach nur schlimm. Ich sage aber immer die Wahrheit und somit auch, dass ich meinen Freund besuche. Ich habe aber gelernt, dass man dabei am besten immer die Worte "Tourismus" oder "Reise" fallen lässt. Also sage ich jetzt immer, dass ich meinen Freund besuche und wir dann rumreisen und Ausflüge machen (weil man ja auf einem Touristenvisum da ist)... was halt auch stimmt. Ich habe null Intentionen, da zu arbeiten oder einzuwandern, aber das glauben die nie. Nervig. Am besten kannst du irgendwie nachweisen, dass du Erspartes hast oder einen Job in Germany. Deren Hauptsorge ist, dass man heimlich arbeitet oder nicht wieder weggeht. Schnaub!
    Alles Liebe und Gute!
    Sarah

  • #3

    SquirrelSarah (Montag, 15 Mai 2023 20:13)

    Liebe Felicitas,
    7 Jahre ist eine verdammt lange Zeit - Hut ab! Aber wir sind jetzt auch schon im 5. Jahr. Ich finde mittlerweile, dass die (inzwischen bei uns recht kurzen) Tage der Trennung nicht mehr so schlimm sind wie am Anfang. Man gewöhnt sich irgendwie dran? Dagegen ist das Wiedersehen immer noch unglaublich toll und genau wie am Anfang. :) Ich kann deine Worte und Gedanken echt so nachvollziehen! Schön, dass ihr inzwischen zusammenlebt. Aber ja, in ein anderes Land mit anderer Kultur und Sprache zu ziehen, ist eine große Entscheidung!
    Ich wünsche euch ganz viel Glück und viele weitere 7 Jahre!
    Sarah

  • #2

    Lisa (Samstag, 13 Mai 2023 15:40)

    Liebe Sarah,
    ich hoffe dir geht es gut :) Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen teilst und es ist schön zu hören, dass eure Beziehung über die Entfernung so funktioniert. Darf ich fragen, welchen Grund du für das B2 Visum angegeben hast und sagst du bei der Einreise in den USA, dass du deinen Boyfriend besuchst? Und was hat die Homeland security für ein Problem gehabt? Ich weiß, dass die Beamten sehr kritisch sind und eine illegale Einwanderung vermuten können, wenn man es nicht gut genug begründen kann.

    Ich freue mich über deine Antwort!

    Liebe Grüße
    Lisa

  • #1

    Berlinerin in Frankreich (Montag, 21 Juni 2021 11:28)

    Liebe Sarah,

    du sprichst mir mit deinem Text aus der Seele. Ich habe 7 Jahre in einer Fernbeziehung gelebt und Ewigkeiten in Flugzeugen und Zügen verbracht. Anfangs bin ich zwischen Berlin und Marseille gependelt, später zwischen Paris und dem Ruhrpott. An diesen Schmerz bei jeder neuen Trennung kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe mich damals oft gefragt, wie lange unsere Liebe das aushält oder ob es sie umgekehrt sogar anfacht. Rückblickend betrachtet, war es damals eine sehr aufregende, aber für mich auch sehr an anstrengende Zeit.
    Ich habe mich schließlich entschieden zu ihm zu ziehen. Das war nicht immer leicht, denn man gibt schließlich etwas auf. Dennoch war es für uns richtig.

    Liebe Grüße aus Nizza,
    Felicitas

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